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Aktualisiert: 21. Mai 2013
Erstellt: 1. Oktober 2011

Wie „funktioniert” Radioaktivität?

Hinweis: Im folgenden wird an einigen Stellen der Begriff „radioaktive Strahlung” verwendet. Darunter versteht man Strahlung radioaktiven Ursprungs, aber nicht, dass diese Strahlung selbst radioaktiv ist oder radioaktive Partikel überträgt. Der korrekte Fachbegriff ist, wie unten erläutert, ionisierende Strahlung.

Unter Radioaktivität versteht man den Zerfall instabiler Atomkerne. Diese befinden sich in der Natur vermischt mit den stabilen Kernen desselben chemischen Elements in praktisch allen Stoffen, in Luft und Nahrung, im Gestein, in Pflanzen und im Wasser. Zerfallen die instabilen Kerne, emittieren sie Strahlungsteilchen. Neben dieser natürlichen radioaktiven Untergrundstrahlung wird unser Körper bei medizinischer Diagnostik oder Behandlung zusätzlicher radioaktiver Strahlung ausgesetzt.

Im Folgenden werden die Grundbegriffe der Radioaktivität sowie die Wirkung der entsprechenden Strahlung in Organismen kurz erläutert. Gute weiterführende Erklärungen finden sich zudem hier:

Entstehung ionisierender („radioaktiver”) Strahlung

Es sind ca. 2000 verschiedene Atomkerne (Nuklide) bekannt. Die meisten davon zerfallen aber so schnell, dass sie nur künstlich für einen kurzen Moment erzeugt werden können. Nur ca. 250 stabile Nuklide sind in der Natur anzutreffen, aber auch ca. 80 instabile. Letztere findet man nur, weil sie sehr langsam zerfallen. Sie tragen mit zur natürlichen Radioaktivität bei.

Beim Zerfall instabiler Nuklide, ob künstlich oder natürlich erzeugt, entsteht radioaktive Strahlung. Das Nuklid zerfällt dabei in ein anderes, etwas leichteres Nuklid (Tochterkern), wobei leichtere Teilchen abgesondert werden. Letztere bilden die so genannte radioaktive Strahlung. Bei jedem Zerfall entsteht so ein Strahlungsteilchen, manchmal auch zwei oder drei. Die meisten der durch Zerfallsprozesse entstehenden Strahlungsteilchen sind elektrisch geladen und haben eine hohe Energie - hoch genug um in Materie (z.B. in einem Organismus) Elektronen von den Atomen und Molekülen zu trennen, diese also zu ionisieren. Daher nennt man derartige Strahlung auch allgemein ionisierende Strahlung.

Die folgende Skizze zeigt als Beispiel das einfachste Nuklid, den Wasserstoffkern (1). Er besteht nur aus einem Proton und gilt als stabil. Der nächst schwerere Kern, der Deuteriumkern (2), entsteht durch Hinzufügen eines Neutrons. Auch er ist stabil. Durch Hinzufügen eines weiteren Neutrons entsteht ein Tritiumkern (3). Dieser ist instabil und zerfällt nach durchschnittlich 18 Jahren (die tatsächliche Zerfallszeit schwankt statistisch) in den stabilen Kern Helium-3. Als Strahlungsteilchen wird dabei ein Elektron emittiert.

Tritium-Zerfall
Die drei Wasserstoffisotope. Tritium ist instabil und zerfällt in Helium-3 - im Innern des Kerns hat sich ein Neutron in ein Proton umgewandelt. Dabei entsteht ein Elektron mit einer Energie von bis zu 18 keV. Als zusätzliches Teilchen wird ein „Elektron-Antineutrino” (nicht gezeigt) gebildet, das aber für den Menschen ungefährlich ist.

Ionisierende Strahlung kann auch auf andere Art erzeugt werden, z.B. in einer Röntgenapparatur. Das ultraviolette Licht der Sonne ist ebenfalls teilweise ionisierend. Wir werden deshalb im Folgenden nicht mehr von radioaktiver Strahlung, sondern allgemein von ionisierender Strahlung sprechen.

Enthält eine Substanz radioaktive Nuklide, so wird man mit einer bestimmten Häufigkeit Zerfälle beobachten. Die Zerfallsrate bezeichnet man als Aktivität. Die Einheit der Aktivität ist Becquerel (Bq). Ein Bq ist ein Zerfall pro Sekunde, entspricht also der Emission eines ionisierenden Strahlungsteilchens pro Sekunde.

Wirkung ionisierender Strahlung

Passiert ein ionisierendes Strahlungsteilchen Materie, hinterlässt es eine Spur von ionisierten Atomen und Molekülen. Diese, ihrer Elektronen teilweise beraubt, werden nun chemisch hochreaktiv und gehen neue Bindungen ein. Für organisches Gewebe kann dies weitreichende Folgen haben: Zellen ändern ihre Funktion oder sterben ab. In den meisten Fällen regeneriert sich das Gewebe wieder; in wenigen Situationen können die Zellen jedoch außer Kontrolle geraten und einen Tumor entwickeln.

Die einfachste Form derartiger Strahlenschäden hat vermutlich jeder schon einmal folgendermaßen erlebt: Setzt man seinen Körper zu lange starkem Sonnenlicht aus, führt dies zur Beschädigung der obersten Hautschichten - es entsteht ein Sonnenbrand. Der auf der Erdoberfläche ankommende Teil des ultravioletten Lichts ist zwar nicht mehr ionisierend, hat aber eine ausreichend hohe Energie, Moleküle mit der gleichen Wirkung zu verändern. Auch hier kann eine zu starke „Sonnendosis” zu einem erhöhten Risiko der Tumorbildung, d.h. Hautkrebs, führen. In den allermeisten Fällen regeneriert sich die Haut aber wieder.

Wird ein Organismus eine Zeit lang ionisierender Strahlung einer bestimmten Intensität ausgesetzt, so empfängt dieser eine bestimmte Strahlendosis. Wir werden hier ausschließlich die Äquivalentdosis, d.h. die mit der biologischen Wirksamkeit gewichtete Strahlendosis, verwenden. Die Einheit der Äquivalentdosis ist Sievert (Sv).

Man nimmt allgemein an, dass die biologische Wirkung proportional zur Strahlendosis ist. Das Resultat hängt jedoch entscheidend davon ab, wie diese Dosis verabreicht wird. Um beim Beispiel der Sonne zu bleiben: Eine hohe „Sonnendosis” in sehr kurzer Zeit verabreicht führt zu Sonnenbrand. Die gleiche Dosis über viele Wochen verteilt führt zu einem gesunden Teint.

Zwei Einheiten - Becquerel und Sievert

Der Zusammenhang zwischen der Aktivität einer Substanz (in Bq) und der Äquivalentdosis, der ein Mensch ausgesetzt ist (in Sv), wird in der folgenden Grafik veranschaulicht.

Becquerel und Sievert

Man kann die Aktivität wie die Stärke eines Senders verstehen und die Dosis als das, was beim Empfänger ankommt. Je weiter man sich vom Sender entfernt und je kürzer man sich dort aufhält, desto geringer ist die empfangene Dosis.

Strahlenmessgeräte wie z.B. Geigerzähler zeigen üblicherweise die Dosisleistung, d.h. die Dosis pro Zeiteinheit an. Sie ist bei sonst unveränderten Bedingungen proportional zur Aktivität der Quelle. Die übliche Einheit ist µSv/h (Mikrosievert pro Stunde, d.h. Millionstel Sievert pro Stunde) oder mSv/a (Millisievert pro Jahr, d.h. Tausendstel Sievert pro Jahr).

Direktstrahlung und Kontamination

Radioaktivität ist immer an eine Substanz gebunden, die sich wie alle anderen nicht-radioaktiven Substanzen verhält. Der Körper kann zwischen chemisch identischen Nukliden (Isotopen) nicht unterscheiden und verarbeitet sie genau wie die gleichartigen nicht-radioaktiven Stoffe.

Ist die radioaktive Substanz an einen festen Ort gebunden, so ist ein in der Nähe befindlicher Körper nur der Direktstrahlung ausgesetzt. Ein Organismus oder Gegenstand, der einer Direktstrahlung ausgesetzt ist oder war, strahlt dadurch nicht selbst. Man leuchtet schließlich auch nicht selbst, wenn man in der Sonne gelegen hat.

Verteilt sich hingegen die Substanz auf andere Körper, so werden diese kontaminiert - sie strahlen dann tatsächlich selbst. Haftet die Substanz nur auf der Oberfläche, so lässt sich diese abhängig von den chemischen Eigenschaften mehr oder weniger leicht wieder entfernen - der Körper wird dekontaminiert. Schwieriger zu dekontaminieren sind poröse Körper oder Flüssigkeiten.

Eine spezielle Form der Kontamination ist die Inkorporation - die Aufnahme von Radioaktivität durch Nahrung oder andere Wege. Zum Beispiel befindet sich in der Luft das radioaktive Edelgas Radon. Die Tochterkerne sind ebenfalls radioaktiv. Durch Einatmen werden die Tochterkerne in den eigenen Organismus eingebunden. Diese radioaktiven Nuklide bewegen sich nun genauso durch den Körper wie ihre nicht-radioaktiven Isotope, mit der Folge, dass dieser sich selbst von innen bestrahlt, bis die Substanz ausgeschieden oder zerfallen ist.

Natürliche Radioaktivität

Bei ihrer Entstehung hat die Erde auch einige radioaktive Nuklide, vermutlich aus einer nahen Supernova, erhalten. Nur jene Radionuklide, die ausreichend langsam zerfallen, sind heute noch zu finden. Doch ihre teilweise ebenfalls radioaktiven Tochter- und Enkelkerne tragen ebenfalls zur natürlichen Strahlung bei, die wichtigsten darunter jene der Uran- und Thoriumzerfallsreihe. Daneben werden aber auch kurzlebige Radionuklide durch kosmische Strahlung in der Atmosphäre ständig neu gebildet, wie z.B. Tritium oder das berühmte Kohlenstoffisotop C-14, das zur archäologischen Altersbestimmung verwendet wird.

Natürliches Uran befindet sich gebunden in Gesteinen und gelöst in Wasser. Ein wichtiges Zerfallsprodukt ist das Edelgas Radon, welches wiederum radioaktiv ist. Es sammelt sich bevorzugt in der Luft geschlossener Räume an und wird durch Einatmen vom Menschen aufgenommen. Die Radon-Zerfallsprodukte sind wiederum radioaktiv und bestrahlen den Körper dauerhaft von innen.

Die Intensität der durch kosmische Strahlung gebildeten Nuklide und anderer Folgeteilchen schließlich hängt stark von der Höhe über dem Meeresspiegel, der geographischen Breite und der aktuellen Aktivität der Sonne ab. Am Boden beträgt sie in Deutschland lediglich 0,3 Millisievert pro Jahr (0,034 µSv/h), im Flugzeug (10 km) hingegen beachtliche 35 Millisievert pro Jahr (4 µSv/h). Je nach Höhe der Wohnlage liegt der Wert entsprechend dazwischen.

Folgende Liste zeigt die Beiträge der verschiedenen Strahlungsquellen für einen durchschnittlichen Deutschen (Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz, Bericht 2009).

Die Summe ist 2,1 mSv/Jahr (0,24 µSv/h). Die Radon-Inhalation trägt mehr als 60% zur natürlichen Bestrahlung bei, 80% davon durch den Aufenthalt in geschlossenen Räumen (0,9 mSv/a bzw. 0,1 µSv/h).

Die Zahlen in der Tabelle sind Durchschnittswerte. Die Abweichungen von diesen Mittelwerten sind beachtlich. Neben der starken Abhängigkeit der kosmischen Strahlung von der Höhe hängt auch der Uran- und Radongehalt in Wasser, Luft und Gestein sehr von der geographischen Lage ab. Insgesamt schwanken die Werte in Deutschland zwischen 1 und 5 mSv/Jahr mit Spitzenwerten von bis zu 15 mSv/Jahr z.B. im Bayerischen Wald. Außerhalb Deutschlands gibt es sogar bewohnte Gegenden mit einer Untergrundstrahlung von bis zu einigen hundert mSv/Jahr (z.B. Ramsar im Iran). Negative gesundheitliche Auffälligkeiten wurden in der Bevölkerung in solchen Gegenden übrigens nie festgestellt.

© Institut für Festkörper-Kernphysik gGmbH, 2011