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Erstellt: 1. Oktober 2011
Aktualisiert: 22. August 2017

Der Energieerntefaktor

Hinweis: Die hier gezeigten Erntefaktoren (EROIs) basieren auf einer begutachteten internationalen Publikation im Fachmagazin Energy (Band 52, April 2013, Seite 210-221). Auf anderen Webseiten werden oft stark abweichende Werte „publiziert”. Prüfen Sie nach, ob dort auf entsprechende Fachliteratur verwiesen wird, und ob bei Vergleichen plausibel die Berechnungsmethoden dargelegt sind.

Die Details zu den hier angeführten Werten finden Sie auf unserer Detailseite, oder in dem besagten Paper (englisch).

Der Erntefaktor soll die gesamte energiewirtschaftliche Effizienz eines Kraftwerks durch eine Zahl ausdrücken, so dass verschiedene Möglichkeiten der Nutzbarmachung von Energie (solar, nuklear, ...) miteinander verglichen werden können. Das Kraftwerk wird dabei als „Black Box” betrachtet, in die man eine bestimmte Energie „investieren” muss, um ein Vielfaches wieder herauszubekommen. Entsprechend lautet der englische Begriff auch „energy returned on energy invested”, kurz EROEI, manchmal auch EROI.

Der Erntefaktor ist nicht die einzige, aber die wichtigste Kenngröße eines Kraftwerkstyps. Nur wenn andere Faktoren wie z.B. die Umweltbelastung, Risiko oder Verfügbarkeit der Brennstoffe den Bau eines Kraftwerks mit hohem Erntefaktor nicht zulassen, wird man Typen mit kleinerem Erntefaktor in Erwägung ziehen. Diese Aspekte sind aber Gegenstand einer gesonderten Betrachtung. Hier sollen nur die Erntefaktoren verschiedener Energieformen objektiv ermittelt werden.

Definition des Erntefaktors

Während seiner Lebenszeit „produziert” ein Kraftwerk Energie; für den Bau, während des Betriebs und für den Abbau muss aber auch Energie aufgewendet werden. Diese Energien müssen zueinander in Bezug gesetzt werden. Je größer der Erntefaktor, desto lohnender ist der Bau und Betrieb einer Anlage.

Tatsächlich kann Energie natürlich nicht produziert, sondern nur umgewandelt werden. Dabei steht am Anfang immer eine thermische Energiequelle wie z.B. Kohleverbrennung oder die nukleare Verbrennung in der Sonne im Falle sogenannter „regenerativer” Energien. Für die Umwandlung ist hierbei interessant, welcher Anteil wirklich nutzbar ist. Der nutzbare Anteil wird als Exergie bezeichnet. Diese kann tatsächlich erzeugt und vernichtet werden. Wir werden hier dennoch den Begriff der Energie verwenden, obwohl in den meisten Fällen Exergie gemeint ist.

In jedem Fall wird der kumulierte Energieaufwand KEA betrachtet, d.h. die während der gesamten Lebensdauer eines Kraftwerks benötigte Energie (eigentlich Exergie), auch „graue Energie” genannt. Ist W die gesamte während seiner Lebensdauer bereitgestellte Energie, so wird in der Fachliteratur der Erntefaktor EF wie folgt definiert

EF = W / KEA

In Worten: Der Erntefaktor eines Kraftwerks ist das Verhältnis der bereitgestellten Energie W zum kumulierten Energieaufwand KEA, der für die Bereitstellung notwendig ist.

Die folgende Grafik veranschaulicht diese Beziehung.

Der Energieerntefaktor
Der Erntefaktor eines Kraftwerks. Die Brennstoffbereitstellung (Förderung, Aufbereitung, usw.) findet normalerweise außerhalb des eigentlichen Kraftwerks statt, wird aber fairerweise zur investierten Energie hinzugerechnet.

Der KEA lässt sich weiter aufteilen in eine Komponente

Obwohl der Energieaufwand für die Bereitstellung des Brennstoffs nicht auf dem Kraftwerksgelände anfällt, im engeren Sinne also nicht Teil des Kraftwerks ist, wird er üblicherweise dazugerechnet - er ist schließlich untrennbar mit dem Betrieb des Kraftwerks verbunden. Ein Vorteil von Wind-, Wasser- und Sonnenenergie ist, dass die Brennstoffe von der Natur bereitgestellt werden - dieser Beitrag zum Aufwand entfällt hier also. Das heisst jedoch nicht, dass die Energie „umsonst” ist, denn der übrige Aufwand bleibt bestehen und muss überdies mit der produzierten Energie verglichen werden.

Unsicherheiten bestehen bei den Anforderungen an Sicherheit und Umweltfreundlichkeit. Spart man sich z.B. das energieaufwändige Betoncontainment eines herkömmlichen Kernreaktors, so wird man einen höheren Erntefaktor erzielen. Ein derartiges Kraftwerk wäre dann aber in keinem Land mehr genehmigungsfähig. Höhere Anforderungen an die Umwelt wie z.B. CO2-Sequestrierung bei Kohlekraftwerken schlagen sich in einem höheren KEA nieder und führen folglich zu einem niedrigeren Erntefaktor. Hier muss man eine vernünftige Grenze ziehen.

Berechnung des Erntefaktors

Die folgenden Abschätzungen beziehen sich auf die Stromproduktion. Die Nutzung der Abwärme, z.B. als Prozesswärme oder zum Heizen ist Gegenstand einer gesonderten Betrachtung.

Die während der Lebensdauer nach außen bereitgestellte Energie W berechnet sich grundsätzlich aus dem Produkt von Nennleistung P, Jahresnutzungsdauer T und Lebensdauer der Anlage L:

W = P * T * L

Die Nennleistung ist die Leistung, für die das Kraftwerk bei optimalem Betrieb ausgelegt ist. Sie wird hier in MWe (Megawatt elektrisch) angegeben. Die Jahresnutzungsdauer beschreibt die Anzahl der Stunden pro Jahr, in denen das Kraftwerk tatsächlich mit der Nennleistung arbeitet. Nach einigen Jahrzehnten werden auch die Materialien spröde, die Reparaturkosten werden hoch und die Technik ist veraltet - das Kraftwerk hat „ausgedient”. Typische Werte für die Lebensdauer sind 30-60 Jahre.

Weitaus komplizierter ist die Abschätzung des KEA. Die wichtigen Kennzahlen werden teilw. von den Betreibern nicht gerne veröffentlicht. Ein Teil der bereitgestellten Energie wird vom Kraftwerk selbst konsumiert, z.B. zum Betrieb von Pumpen. Wir folgen dabei der Konvention, diese Energie von der bereitgestellten Energie abzuziehen und nicht zum KEA hinzuzuzählen.

Erntefaktoren typischer Kraftwerke

In der folgenden Tabelle werden die Energie-Erntefaktoren verschiedener Kraftwerkstechniken gegenübergestellt. Details zu den Berechnungen mit zahlreichen Quellenangaben sind in der zweiten Erntefaktor-Abhandlung zu finden.

Kraftwerkstypen ohne Notwendigkeit von Speicherung und Reserven

KraftwerkstechnikErntefaktor
Druckwasserreaktor, 83% Zentrifugenanreicherung 75
Druckwasserreaktor, 100% Zentrifugenanreicherung 107
Steinkohle, Untertagebau ohne Kohletransport 29
Braunkohle, Tagebau 31
Gaskraftwerk (GuD) Erdgas 28
Gaskraftwerk (GuD) Biogas 3,5

Kraftwerkstypen, die Speicherung oder Reserven benötigen

Reserven sind nötig, um saisonale Schwankungen auszugleichen, denn auch bei saisonal geringer Wind- oder Sonnenleistung muss der Grundbedarf gedeckt werden können, was den Erntefaktor etwa halbiert. Saisonale Speicherung ist mit Pumpspeicherwerken nicht möglich, da die dafür notwendigen Kapazitäten aus geologischen bzw. ökologischen Gründen nicht verträglich installierbar sind (Beckenkapazitäten bis zum Mehrfachen des Bodensees gepumpt über einige 100 Meter Höhe). Die Druckluftspeicherung ist noch nicht effizient realisiert, außerdem gibt es keinen Kostenvorteil im Vergleich zur Installation von entsprechenden Überkapazitäten von Kraftwerken. Andere Speichertechniken wie Wasserstoff- bzw. Methangassynthese ("Windgas") oder Batteriespeicherung haben einen nur halb so hohen Wirkungsgrad sowie sehr hohe Anlagenkosten und reduzieren den Erntefaktor noch stärker.

Tag-Nacht-Schwankungen und Schwankungen über mehrere Tage können durch heutige Speichertechniken überbrückt werden. Die günstigste davon, die Pumpspeichertechnik, reduziert den Erntefaktor um einen weiteren Faktor 2 für Wind- und einen Faktor 1,5 für Solarenergie. Wasserkraft benötigt keine Speicherung, da über etliche Tage in den Stausee zurückgestaut werden kann, wenn die Nachfrage geringer ist. Allerdings gibt es saisonal vorhersagbar Flussschwankungen, für Deutschland werden deshalb etwa 40% Überkapazität benötigt. Grundlage für diese Annahmen sind die Quellen [22], [23], und [24] in der detaillierten Erntefaktor-Abhandlung.

KraftwerkstechnikErntefaktor mit Speicherung und/oder ReservenErntefaktor ohne Speicherung/Reserven
Wasserkraft, Laufwasser (typisch für Deutschland) 36 50
Windenergie, 1,5-MW-Anlage, deutsche Küste 4 16
Solarthermie, Wüste, Fresnelrinnen + Wasserdampf-Medium 8 17
Solarthermie, Wüste, Parabolrinnen + Phenylverbindungen-Medium 10 21
Photovoltaik, Poly-Silizium, Spanien, Dach | Feld 2,3 | 2,3 7,0 | 6,7
Photovoltaik, Poly-Silizium, Süddeutschland, Dach | Feld 1,6 | 1,5 4,0 | 3,8

Die Werte für den kumulierten Energieaufwand sind Schätzungen. Die Tabelle wird fortwährend angepasst. Das Institut für Festkörper-Kernphysik ist offen für Korrekturvorschläge und Ergänzungen, die bitte an unsere Email-Adresse (siehe Impressum) zu richten sind.

Der Wirkungsgrad

Manchmal gibt es Verwechslungen mit dem Wirkungsgrad eines Kraftwerks. Dieser ist definiert als das Verhältnis von abgegebener Nutzenergie (alles außer Wärme) zur zugeführten Primärenergie. Mit Primärenergie ist hierbei die während der Verbrennung eines Brennstoffs freigesetzte thermische Energie des Brennstoffs selbst gemeint, nicht der Energieaufwand für die Förderung und Aufbereitung. Die Primärenergie hat keinen Zusammenhang mit dem KEA. Der Wirkungsgrad hat Werte zwischen 0 und 100%.

Der Wirkungsgrad beschreibt nur, wie effizient ein Kraftwerk den Energieträger nutzt. Ein hoher Wirkungsgrad ist grundsätzlich von Vorteil. Positiv auf den Erntefaktor wirkt er sich jedoch nur aus, wenn er nicht durch einen entsprechend höheren KEA „erkauft” wird. Zum Beispiel kann man den Wirkungsgrad von Photovoltaikanlagen durch den Einsatz aufwändig herzustellender Materialien steigern. Die Herstellung dieser Materialien kann aber einen vergleichsweise höheren KEA erfordern, so dass der Erntefaktor nicht größer wird.

© Institut für Festkörper-Kernphysik gGmbH, 2011